ZEIT und TRANSFORMATION

Fineart freuten sich sehr, Ihnen von 15. Februar bis 5. April 2019 Arbeiten von Marielis Seyler und Bettina Schülke zeigen zu dürfen.
© FineArt

Bei der Vernissage sprach Mag.a Maria Christine Holter, Kunsthistoriker und Kuratorin, einführende Worte.

Marielis Seyler:

Marielis Seylers Lebensweg ist ein bunter und vielfältiger, der sie gleich zu Beginn zur Fotografie brachte und sie dann über zahlreiche verschlungenen Wege um etwa 1990 glückendlich wieder dorthin zurückgeführt hat. Sie war Gastschülerin bei Prof. Hausner an der Akademie der Bildenden Künste in Wien. Ihre erste Fotoausstellung fand in Toyko statt, sie leitete sowohl in Wien, als auch in Köln mehrere namhafte Galerien (Curtze. Lang, Onnasch, Gmurzynska). Sie stellte an zahlreichen Orten dieser Welt, unter anderem in New York, Prag, Paris, Miami, Reykjavik, Bologna und Berlin, aus.

Marielis Seyler ist Mitglied des Vorstands des KÜNSTLERHAUS Wien, sowie Mitglied von FLUSS-niederösterreichische fotoinitiative Wolkersdorf.

Beschäftigt man sich eingehender mit Marielis Seylers umfangreichen fotografischem Werk, kristallisiert sich ein künstlerischer Schwerpunkt heraus, der sich grundlegend mit dem weitgefassten Themenspektrum der Verletzung, des verletzt Werdens und des Verletzens befasst. Seit Anfang der Neunziger, nach der Wiederaufnahme ihrer fotokünstlerischen Tätigkeit, bestimmen die – zu einem gewissen Teil unbewusste – Auseinandersetzung und Sichtbarmachung unterschiedlichster Formen und Darstellungsmöglichkeiten von Verletzung ihre künstlerische Strategie, wobei der Spannung zwischen Natur und Kultur sowie dem Element des Zufalls eine nicht unwesentliche Rolle zukommen.
(Maria Schindelegger, Wien 2003)

VON DER NATUR DER KUNST Photokünstlerische Werkserien von Marielis Seyler

Die Auseinandersetzung mit Frauenbildern („Madonnen“), mit dem Kindsein, mit Freundschaft und mit dem Fremden, Anderen sind wiederkehrende Aspekte ihrer Werke. Wie sehr ihr dabei die Nähe und das sehr persönliche Eingehen der Betrachter auf ihre Arbeiten ein Anliegen ist und buchstäblich wird, zeigt sich insbesondere bei den so genannten „Trampel- und Open Airbildern“: Großformatige Photoabzüge werden in geschlossenen oder öffentlichen Räumen derart auf dem Boden positioniert, dass es für den Besucher fast unabdingbar ist, auf diesen Bildern herum zu gehen – von der Scheu bis hin zu einem exzessiven Herumtrampeln auf diesen Bildern bewegt sich die emotionale Befindlichkeit der BesucherInnen.

Die Photographie bildet dafür eine amalgamierende Rolle. Sie ist bildnerische Basis und Medium der Erzählungen selbst. In vielfältiger Weise verändert Seyler das photographische Bild durch eine Reihe von Eingriffen und Veränderungen. Durch Hinzufügungen von Naturmaterialien und Kombinationen verschiedener Gegenstände, aber auch durch die Verwendung unterschiedlicher Trägermaterialien für die Photoemulsionen wie Transparent oder Packpapiere erweitert sie das photographische Bild hin zu einem Objekt.

Der Bezug zur Natur akzentuiert diesen Prozess weiter, etwa wenn sie Bilder einem längeren Verwitterungsprozess im Freien aussetzt und damit das Moment der Zeitlichkeit, das der Photographie per se inhärent ist, sichtbar macht. Als „Zeichenstift der Natur“ bezeichnet der Erfinder der Negativ-Positiv-Photographie Henry Fox Talbot 1840 dieses Bildmedium. In der spezifischen Verschränkung von Natur und Kunst in den Werken von Seyler stellt sich gleichzeitig aber auch die Frage nach der Natur der Kunst als zutiefst menschliches Phänomen. Für Marielis Seyler ist die Kunst damit eine condition humaine!
(Carl Aigner Juli 2014)

Trampelbild, 120×160 cm

Vogelkehle, 1992, Foto auf Barytpapier, Blauwurz, Kreide, 76 x 100 cm


Bettina Schülke:

Bettina Schülke ist eine österreichische Künstlerin welche an der Schnittstelle von Kunst, Wissenschaft und Technologie arbeitet. Ihre Arbeiten waren in zahlreichen Einzelausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen zu sehen wie z. B. bei der 2. Thessaloniki Biennale, GR; De Winkelhaak Design Museum, Antwerpen, BE; Kemi Art Museum, Lume Mediakeskus, Helsinki; Arktikum Museum and Arctic Science Centre, Rovaniemi, FI; MAK-nite (Österreichisches Museum für angewandte Kunst/Gegenwartskunst), Wien, AT; oder Textilarbeiten im österreichischen Pavillion bei der 8. Architektur Biennale in Vendig, IT. Teilnahme und Präsentationen an Konferenzen, Workshops, Festivals, internationale kollaborative Projekte, Lehrtätigkeit in Finnland und Österreich. 2017 absolvierte Schülke ihr Doktorat (Dr. of Arts) an der an der University of Lapland in Form eines Practice-based Research. Ihre Forschungsarbeit TRANSACTION as INTERACTION: Art as an Extended Sense of Space, erschien als Publikation (University of Lapland Press).

Schülke´s neue künstlerischen Arbeiten thematisieren die Zusammenhänge der Entwicklung von Computern, dem Binären Code und Textil. Sie greift historische Themen auf und verknüpft diese mit einzelnen Aspekten unserer gegenwärtigen digitalen Technokultur. Inhaltlich sind die Werke in die Themenbereiche Binärer Code, Khipu („Data in Knoten“) und The Point of View gegliedert. Dabei verbindet Schülke in ihren Arbeiten Code auf poetische Weise mit Rhythmus, Information und dem Vermitteln von Inhalten.

Der Begriff TRANSFORMATION bezieht sich im Zusammenhang mit den gezeigten Arbeiten sowohl auf inhaltliche Bereiche, als auch auf das Erscheinungsbild von einzelnen Werken und dessen Wahrnehmung. Für die Ausstellung ZEIT und TRANSFORMATION entstanden großformatige Textilarbeiten, Textildrucke, raumbezogene Installationen, Zeichnungen und Collagen. Die Vielzahl der verwendeten künstlerischen Medien und Techniken ist charakteristisch für Schülke´s konzeptionelle und prozessorientierte Arbeitsweise.

Stereoscopic Textile Images

Bei den Arbeiten von Bettina Schülke – vor allem bei ihren „Stereoscopic Textile Images“ – wird das Thema Interaktion für uns als BetrachterInnen besonders augenscheinlich, da wir die Farbigkeit dieser textilen Faltenbilder abhängig von unserer Position im Raum jeweils anders wahrnehmen. Das eigentliche Wesen der Werke, ihre spezifische Charakteristik, erschließt sich also nur durch ein aktives Verhalten der BetrachterInnen. Dabei entsteht der Eindruck eines bewegten Bildes, ein Phänomen, das uns zwar aus der Op Art bekannt ist, von Bettina Schülke jedoch mit gänzlich anderen Mitteln erzielt wird. In beiden Fällen wird die vermeintliche Bewegung bzw. Veränderung des Bildes durch den Betrachter evoziert.

Schülkes „Stereoscopic Textile Images“ verweigern sich letztlich aber dem Status eindeutig zu definierender Bilder; sie verharren vielmehr in einem Zwischenraum, der nicht zufällig auch das essentielle Gestaltungselement dieser Arbeiten darstellt.
(Alexandra Schantl, 2018)

Yes or No. 2018. Kollage, Inkjektdruck. 40 x 50 cm.

Stereoscpoic Textile Image. 2019. Textil, Malerei. 95 x 95 cm.


Mag.a Maria Christine Holter, geb. in OÖ, ist Kunsthistorikerin und Kuratorin in Wien. Kunstgeschichtestudien an den Universitäten Wien und Berkeley, USA (Fulbright Stipendium), Praktikum am Museum of Modern Art (MOMA), New York. Eigene Ausstellungs- und Veranstaltungsreihen wie FUNKENFLUG , in situ / follow up; Gastkuratorin in Museen, Kunsthallen, Galerien und Art Spaces. Zuletzt Gestalterin mehrerer Ausstellungen im Wiener Künstlerhaus: 2012/13 Zeit(lose) Zeichen. Gegenwartskunst in Referenz zu Otto Neurath (Symposion A Tribute to Otto Neurath), 2014 Experiment Analog. Fotografische Handschriften im Zeitalter des Digitalen sowie Time(less) Signs als Kooperation am Austrian Cultural Forum London, 2015 Programmverantwortliche der Brennenden Fragen, 2017 Co-Kuration Das bessere Leben im Künstlerhaus 1050. 2018 Bruch Spur Zeichen. Sabine Müller-Funk & friends im Kunstraum Nestroyhof Wien und im Nödok St. Pölten. Unternehmensberatung im Bereich Ausstellungs- und Sammlungstätigkeit, zahlreiche Publikationen zur zeitgenössischen Kunst.
www.mariaholter.at www.funkenflug.net www.zeitlose-zeichen.at