In Abwesenheit (In Absence), Vernissage 8. September 2023, 19:00
Ausstellungsdauer: 9. September bis 29. Oktober 2023
Opening: September 8, 2023, 7pm
September 9 – October 29, 2023
Wenn wir gemeinsam auf den vergangenen Kollaps blicken, sind wir bereits vor dem nächsten versammelt, den wir wiederum bezeugen werden. „Die Wunde ist der Ort, an dem das Licht in dich eindringt“ (Rumi).
Der Legende nach wurde das ursprünglich eins-seiende Wesen zertrennt. Seither sehnen sich viele zerbrochene Identitäten nach den verlorenen anderen, damit sie ihre Wunden heilen. Einer anderen Legende zufolge sind wir dauerhaft aus illusionären Paradiesen ausgeschlossen. Kinder wachsen heran und lernen, dass die Welt in separate Kategorien zerfällt.
Wenn wir älter werden
Wird die Welt fremder, das Muster komplizierter […]
Nicht der intensive Moment
Isoliert, ohne Davor und Danach,…
(T. S. Eliot, Vier Quartette, „East Coker“, Abschnitt V)
Unsere zerbrochenen Teile tappen unaufhörlich und blind umher und suchen vergeblich nach Sinn. Anstatt einander zu finden, wenden wir uns gegeneinander, führen Kriege und lösen Katastrophen aus. Lebendige und zerbrochene Teile eines Puzzles, dessen Motiv unbekannt bleibt und das deshalb nicht zusammengesetzt werden kann. Wir – die Überlebenden – sind die einzigen Zeugen. Für uns wurde die Erinnerung erfunden, damals, bei einem Festmahl im Palast, unter jenem Dach, dessen bevorstehender Einsturz bereits durch einen Riss angekündigt war…
Die Gruppe Splinters (Splitter) besteht aus KünstlerInnen der Sparten Malerei, Fotografie, Architektur, Philosophie und Dichtkunst aus Jerusalem, Modena, Traismauer und Beirut. Ihr gemeinsamer Ausgangspunkt ist die Explosion, die sich im August 2020 im Hafen von Beirut ereignet hat. Seit Jänner 2021 entwickeln sie in regelmäßig abgehaltenen Videokonferenzen Gedanken, Manifeste, Texte, Skizzen, Zeichnungen, Gemälde, Fotos, Kurzfilme, Objekte und weitere Artefakte rund um Risse, Klüfte, Erinnerungen, Abwesenheiten, Mythen, Zusammenbrüche und das hartnäckige Bemühen, ständig aufzubauen, was doch von Anfang an der Vergänglichkeit geweiht ist: Denn dieselbe Kraft, die alles zusammenhält (symbolon), reißt auch alles auseinander (diabolon).
Talia Trainin, Claudio Sgarbi, Fabio Elia Sgarbi, Bernhard Schneider, Salim al Kadi
In Absence
As we look together at the past collapse, we are already gathered before the next one, which we will in turn witness. ”The wound is the place where the light enters you” (Rumi).
As the legend goes, the one-being has been severed. Many broken identities, ever since, have longed for the lost other to heal their wounds. According to another, we are permanently expelled from illusional paradises:
As we grow older
The world becomes stranger, the pattern more complicated […]
Not the intense moment
Isolated, with no before and after,…
(T. S. Eliot, Four Quartets, “East Coker,” Section V)
Our broken pieces ceaselessly grope around blindly, seeking meaning in vain. Rather than find one another, we turn against each other, waging wars and unleashing catastrophies. Alive and broken pieces of a puzzle whose motivation remains unknown and which, therefore, cannot be put together. We – the survivors – are the sole witnesses. Memory was invented for us, back then, at a banquet in the palace, under that roof whose immanent collapse was already announced by a crack…
Splinters is a group of artists who explore the fields of painting, photography, architecture, philosophy and poetry from Jerusalem, Traismauer, Modena and Beirut. Their shared trigger point was the explosion that occurred in August 2020 at the port of Beirut. Since January 2021, they have been developing thoughts, texts, manifestos, sketches, drawings, paintings, photos, short films and other artefacts via biweekly video conferences, grappling with cracks, rifts, memories, absences, myths, breakdowns, as well as peevishly intending to build, an attempt doomed to collapse from the start, as the same force that holds everything together (symbolon) also tears everything apart (diabolon).
Talia Trainin, Claudio Sgarbi, Fabio Elia Sgarbi, Bernhard Schneider, Salim al Kadi